viernes, 4 de noviembre de 2016

Theaterkritik: 'Dorian Gray' (Akademietheater Wien)


Es gibt Stücke in der Kunstgeschichte, die nach vielen Jahrhunderten noch aktuell sind. Das Bildnis des Dorian Gray ist keines davon. Das Meisterstück Dorian Gray ist relevant wie nie und die Bedeutung scheint heute größer zu sein als am Ende des 19. Jahrhunderts.

Die Versuchung auf ewig schön bleiben zu wollen ist heute nicht nur ein Kampf gegen die Zeit, sondern auch gegen uns selbst und unsere Umwelt. Und dieser Kampf wird besonders in sozialen Netzwerken ausgetragen; die Versuchung mehr Likes zu bekommen und mehr Freunde zu haben wird zur heutigen Sünde, die unsere begehrte Schönheit und unseren Hedonismus dokumentiert und vergrößert. Unsere Bilder auf Facebook sind unsere eigenen Bildnisse, aber wir verstecken sie nicht am Dachboden, sondern wir veröffentlichen sie auf den sozialen Netzwerken.

Die Bedeutung dieser abwesenden Freude bzw. Lust könnte im Stück durch die Bildschirme repräsentiert sein. Bilder, in verschiedenen Größen, die auf verschiedenen Ebenen auf einem Gerüst montiert sind. Und dies produziert einen Effekt, der an jedem Platz des Raums anders ist: manchmal wird das Gesicht Grays oder ein Bildschirm unsichtbar für einen Teil des Publikums. Dieses Spiel ist sicher beabsichtigt, aber für die Zuschauer_innen, die das Gesicht Grays nicht sehen können, wenn er im Zentrum steht, ist das oft eher störend.

Der Effekt der Bildschirme, die ein gemeinsames Bild erstellen sollen, geht leider für die Zuschauer_innen, die nicht mittig im Theater sitzen, verloren. Und die Bildschirme, auch wenn sie bedeutend und eine originelle Idee sind, geben der Elektronik zu viel Raum in diesem Theaterstück. Damit ist gemeint, dass das Theater sich durch die Unwiederholbarkeit der schauspielerischen Darstellung auszeichnen soll und in diesem Fall verliert das Stück die Ebene der realen Präsenz der anderen Figuren, die alle am Bildschirm verkörpert werden. Die Nutzung der Bildschirme macht es jedoch noch schwieriger und verdienstvoller für Markus Meyer. 

Meyer. Er ist das Stück. 

Er spielt nicht nur Dorian Gray, sondern auch alle anderen Figuren –jedoch nur die männlichen Rollen, Sybil Vane kommt im Stück nicht vor- die auf den Bildschirmen erscheinen und mit denen er interagiert. Diese schon vorab gefilmten Gespräche können nicht warten und erlauben keine Pause für Meyer. Keine Pause auch weil er konstant durch das Gerüst, wo die Screens sind, wandert. Und auch in den ruhigen Momenten sitzt oder steht er in anstrengenden Positionen. All das macht er mit einer Intensität, die selbst die Zuschauer_innen müde und unruhig macht. Es gibt keine Pause für das Publikum, da das Stück nur eine Stunde dauert, jedoch trotz seiner Kürze ist das ganze Stück dicht im Inhalt und voller anregender Reflexionen. 

Anregende Reflexionen, die einiges über unsere Gegenwart zu sagen haben. Weil Dorian Gray keine unvergängliche Figur ist, sondern ein Pionier von Selfies, von YOLO und von Snapchat ist.